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Allgemeinmedizinerin Dr. Susanne Bublitz über die Arbeit als Pandemie- und Impfbeauftragte im Impfzentrum im Hohenlohekreis

Das Bild zeigt eine Impfdosis eines Corona-Impfstoffes, wie sie im Impfzentrum verwendet wird.

Derzeit wimmelt es in den Medien von Meldungen zu Corona-Impfstoffen, und „der kleine Piks“ im Impfzentrum wird in beinahe jeder Nachrichtensendung gezeigt. Nicht sehr ansehnlich, aber doch so wichtig. Die Impfzentren des Landes, die tatkräftigen Helferinnen und Helfer vor Ort und die Impfstoffe – sie alle gehören derzeit zu den meistdiskutierten Akteurinnen und Akteuren unseres Alltags. Für die Serie „MINT-Heldinnen“ der Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen haben wir mit Dr. Susanne Bublitz gesprochen. Sie ist Medizinerin, Pandemie- und Impfbeauftragte im Hohenlohekreis und hilft bei der personellen und organisatorischen Vorbereitung des Kreisimpfzentrums in Öhringen.

Seit dem 22. Januar 2021 können sich Bürgerinnen und Bürger der priorisierten Gruppen in der Hohenlohe-Sporthalle in Öhringen gegen das Coronavirus impfen lassen. Im Interview gewährt uns Dr. Susanne Bublitz Einblicke in die Prozesse beim Aufbau eines Impfzentrums, erklärt die Schwierigkeiten und Hindernisse im Ablauf und erzählt von ihrer Sicht als Medizinerin auf die Krise und ihren Berufsalltag.

„Die Hausärzteschaft musste sich im Kampf gegen die Coronapandemie zusammenzuschließen.“

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Wie kamen Sie zu Ihrer Rolle als Pandemie- und Impfbeauftragte?

Susanne Bublitz:  Ich bin seit Oktober 2019 Vorsitzende der Kreisärzteschaft Öhringen. Als Hausärztin habe ich schon Anfang 2020 die Notwendigkeit gesehen, die Hausärzteschaft im Kampf gegen die Coronapandemie zusammenzuschließen. Ich habe einen Kontakt zum Gesundheitsamt hergestellt, und gemeinsam haben wir sehr schnell eine Abstrichstelle aufgebaut. Die Kassenärztliche Vereinigung fragte mich dann zu gegebener Zeit als Pandemiebeauftragte an, weil ich in das Thema bereits eingearbeitet war.

L. F. i. M.-B.: Wie läuft der Aufbau eines solchen Impfzentrums ab, und was genau ist in Öhringen Ihre Rolle in dem Prozess? Wie wurde zum Beispiel der passende Standort ausgesucht?

Susanne Bublitz: Zur Auswahl des passenden Standortes kann ich nicht besonders viel sagen. Es waren mehrere größere Hallen im Gespräch. Meines Wissens sollten die Hallen natürlich ausreichend groß, gut erreichbar und barrierefrei sein sowie über ausreichend Parkmöglichkeiten verfügen.

In der Halle wurden alle notwendigen Bestandteile eines Impfzentrums installiert. Das sind zum Beispiel Check-in- und Check-out-Schalter, Trennwände, Aufklärungs- und Impfkabinen, eine komplette IT-Infrastruktur sowie Büro- und medizinische Arbeitsplätze. Daran beteiligt waren ziemlich viele Menschen – von Messeinstallateuren über Angestellte der Stadt Öhringen und des Landratsamtes bis hin zu ehrenamtlich tätigen Frauen und Männern des Technischen Hilfswerks.

Ich selber unterstütze den Zentrumsleiter Mike Weise und sein Team bei sämtlichen medizinischen Fragen. Ich organisiere die Ärztinnen und Ärzte und helfe bei der Rekrutierung der medizinischen Belegschaft. Gemeinsam mit der Zentrumsleitung wurden die Ablaufprozesse entwickelt und regelmäßig evaluiert. Ich bin zuständig für die Arbeitssicherheit im medizinischen Bereich und für das Notfallmanagement im Nachbeobachtungsbereich.

Das Bild zeigt den Eingang zum Impfzentrum der Turnhalle Öhringen mit einem Willkommensschild.
Die Wartepositionen im Impfzentrum Öhringen: Stühle sind mit Abstand zueinander in der Turnhalle aufgereiht.

Impfzentrum in Öhringen: Vor der Öffnung herrscht hier täglich die „Ruhe vor dem Sturm“.

„Für das Impfzentrum reduzierte ich mein Privatleben. Meine Motivation: Schnell aus der Pandemie kommen!“

L. F. i. M.-B.: Aus welcher Motivation heraus haben Sie das Ehrenamt der Impfbeauftragten angenommen? Mussten Sie Ihre Arbeit als Ärztin in der Praxis deshalb reduzieren?

Susanne Bublitz:  Tatsächlich war ich zunächst mal „nur“ Pandemiebeauftragte, was über meinen Vorsitz bei der Kreisärzteschaft zustande kam. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Fragen zu den Impfungen auf, und wir Pandemiebeauftragten erhielten in der Konsequenz ganz natürlich den zusätzlichen „Titel“ der Impfbeauftragten.

Meine Motivation war und ist es immer noch, durch die Beteiligung an den Impfungen einen Beitrag zu leisten, um möglichst schnell aus der Pandemie herauszukommen. In der Arztpraxis, in der ich hauptberuflich arbeite, sind wir insgesamt drei Kolleginnen. Dadurch können wir uns gut einteilen. Die Arbeit als Impfbeauftragte erledige ich aber hauptsächlich abends und am Wochenende, hierfür musste ich eher mein Privatleben reduzieren. Wenn wir dadurch im Laufe des Jahres wieder ohne Masken unsere Freizeit gestalten könnten, war es mir das aber wert.

„Am Ende des Tages bleibt im Impfzentrum keine Impfdosis übrig.“

L. F. i. M.-B.: Im Impfzentrum Öhringen impfen Sie jetzt seit etwa einem Monat. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz? Gab es einen richtigen Ansturm auf die Impftermine oder ist die Nachfrage eher verhalten?

Susanne Bublitz:  Es gab einen riesigen Ansturm auf die Termine. Ich selber habe versucht, für meine Patienten über 80, die keine Hilfe hatten, Termine auszumachen und kann bestätigen, dass das sehr schwierig war. Die online eingestellten Termine waren innerhalb von Minuten weg. Am Telefon kam ich mehrfach nicht durch. Der Ablauf im Impfzentrum selbst ist aber generell sehr gut organisiert. Es gibt kaum Wartezeiten, wir bekommen von den Geimpften sehr viel positive Rückmeldung.

L. F. i. M.-B.: Konnten Sie in Zeiten knapper Ressourcen bislang täglich den zur Verfügung stehenden Impfstoff verimpfen oder gibt es auch mal Komplikationen, weil zum Beispiel Termine abgesagt werden?

Susanne Bublitz:  Manchmal müssen wir Impflinge wegschicken, weil sie nicht in der höchsten Priorisierung eingestuft sind. Und manche angemeldeten Personen kommen nicht, so dass oft einige Impfdosen übrigbleiben. Für diese am Ende eines Impftages verbleibenden Restdosen haben wir Telefonlisten. Darauf stehen Personen der höchsten Priorisierungsstufe aus Krankenhäusern, von ambulanten Pflegediensten, vom Rettungsdienst und anderen Stellen. Es finden sich damit immer Personen, die spontan einspringen können. Dadurch bleibt am Ende des Tages keine Impfdosis übrig.

„Viele wollen nicht lange beraten werden, sondern geradewegs zur Spritze kommen.“

L. F. i. M.-B.: Muss das medizinische Personal im Impfzentrum auch beraten und den Patientinnen und Patienten Sorgen nehmen? Bekommen Sie beispielsweise Anfragen von Menschen, die einen bestimmten Impfstoff nicht haben möchten?

Susanne Bublitz: Nein, bisher nicht. Alle, mit denen ich gesprochen habe, wollen geimpft werden. Dafür haben sie sich ja die Mühe gemacht, einen Termin zu bekommen. Ich hatte eher den Eindruck, dass viele eigentlich keine ärztliche Beratung wollten, sondern am liebsten gleich zur „Spritze“ durchgegangen wären. Auch Diskussionen zum Impfstoff gab es bisher nicht, weil es nur einen im Impfzentrum gab. Beim AstraZeneca-Impfstoff lief die Kommunikation sehr ungünstig, sodass viele Impfberechtigte weniger Vertrauen in diesen Impfstoff haben. Vielleicht werden wir da in Zukunft mehr Sorgen nehmen müssen.

L. F. i. M.-B.: Aus Ihrem Lebenslauf konnten wir erfahren, dass Sie ein Semester Chemie studiert hatten, bevor Sie Ihr Medizinstudium aufnahmen – war das zur Überbrückung der Wartezeit?

Susanne Bublitz: Anfangs schon: Bei der zentralen Vergabestelle hatte ich angegeben, dass ich überall Medizin studieren würde, wenn ich meinen Erstwunsch Tübingen nicht erfüllt bekäme. So kam es, dass ich einen Studienplatz in Greifswald bekam. Weil mir das einfach zu weit weg von zuhause war, habe ich mich schnell wieder dagegen entschieden – ich bin ein Familienmensch und komme aus einer Großfamilie.

Mein alternativer Plan wurde der trinationale Diplom-Studiengang Biotechnologie in Basel, Straßburg und Freiburg, für den man sich mit einem Vordiplom in Biologie oder Chemie bewerben konnte. Für das Vordiplom schrieb ich mich in Heidelberg in Chemie ein, eines meiner Lieblingsfächer in der Schule. Das gefiel mir auch wirklich gut, aber ich bewarb mich während des ersten Semesters parallel erneut für Medizin, was ja ursprünglich mein Traum war. Beim zweiten Anlauf hat es dann geklappt – zu meiner Freude direkt in Heidelberg.

Familie und Karriere unter einen Hut bringen? Für die Medizinerin war die beste Zeit dafür das Studium

L. F. i. M.-B.: Aus Ihrem Lebenslauf lässt sich ableiten, dass Sie während des Studiums und nochmal am Ende des Praktischen Jahres (PJ) nach dem Medizinstudium Mutter geworden sind. Wie haben Sie das unter einen Hut bekommen, und welchen Rat haben Sie für junge Frauen, die Familie und Karriere miteinander vereinbaren möchten oder müssen?

Susanne Bublitz: Im Studium war es noch am einfachsten, alles miteinander zu verbinden. Die zeitlichen Verpflichtungen waren damals sehr gering, es gab kaum Pflichtvorlesungen. Ich habe mir also viel zuhause selbst erarbeitet. Für die Zeit der Praktika konnte mein Mann, der als Doktorand am Deutschen Krebsforschungszentrum eine halbe Stelle hatte, die Kinderbetreuung übernehmen. Daher finde ich rückblickend, dass es keine bessere Zeit für das Kinderbekommen gab als das Studium.

Nach dem PJ habe ich angefangen, in Teilzeit zu arbeiten, was eher ungünstig war: zu viele Aufgaben für zu wenig Zeit. Ich glaube, dass man schnell in ein Dilemma kommt, aus dem es schwierig ist, wieder rauszukommen, will man doch seine Arbeit vernünftig erledigen. Letztlich hat das für uns nicht zuletzt auch deshalb funktioniert, weil wir einen Standortvorteil hatten! Meine Mutter war Erzieherin und hat in der Nähe gewohnt, so hatten wir immer jemanden, der im Notfall die Kinder nehmen konnte.

„Allgemeinmedizin – die beste Entscheidung meines Lebens.“

L. F. i. M.-B.: Was faszinierte Sie am Medizinstudium am meisten? Warum entschieden Sie sich für die Arbeit in der Allgemeinmedizin, und kamen auch andere Schwerpunkte für Sie infrage?

Susanne Bublitz: Ich wusste schon mit 8 Jahren, dass ich Ärztin werden wollte. Warum, kann ich gar nicht sagen. Rückblickend finde ich am Medizinstudium toll, dass es unheimlich vielseitig und spannend ist. Was den Schwerpunkt angeht, gab es damals drei Fächer, die ich für mich ausschloss: HNO und Augenheilkunde – in meinen Augen zu langweilig – sowie Allgemeinmedizin. Letzteres lag eher daran, dass das Fach im Studium damals gar nicht vorkam, ich also wenig Vorstellung davon hatte, was ein Allgemeinmediziner so macht.

Im Laufe des Praktischen Jahres habe ich dann Gefallen an der Inneren Medizin gefunden und bin danach auch dort eingestiegen. Irgendwann konnte ich mich aber zunehmend weniger mit den Arbeitsbedingungen in der Klinik anfreunden. Auf einer Fortbildungsveranstaltung hat mich dann eine Kollegin angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, bei ihr in der Allgemeinmedizin einzusteigen. Das war die beste Entscheidung meines Lebens – die Allgemeinmedizin ist das umfassendste und spannendste Fach.

Seit 2006 bin ich nun in der Allgemeinmedizin, und mit den Jahren kamen die verschiedenen Ehrenämter dazu. Das ist für mich die beste und spannendste Konstellation – wobei ich mit einem Titel wie der Pandemiebeauftragten im Impfzentrum natürlich nie gerechnet hätte.

Wir bedanken uns bei Dr. Susanne Bublitz für das Gespräch und wünschen alles Gute für die nächsten Projekte.

Das Bild zeigt die Pandemiebeauftragte Dr. Susanne Bublitz, die das Impfzentrum Öhringen mit aufgebaut hat.

Infos zu Dr. Susanne Bublitz

Dr. Susanne Bublitz, Jahrgang 1976, studierte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und verbrachte während des Medizinstudiums ein Semester an der Université I de Montpellier. Ihr Praktisches Jahr verbrachte sie teilweise am Diakoniekrankenhaus Schwäbisch Hall und teilweise in der Kinderklinik Heidelberg. Nach zweieinhalb Jahren in der Inneren Medizin wechselte sie in die Allgemeinmedizin und arbeitete seither in unterschiedlichen Praxen, bis sie 2010 eine eigene Praxis übernahm. Ihre zahlreichen Ehrenämter reichen vom Vorsitz der Kreisärzteschaft Öhringen über den Titel der Pandemie- und Impfbeauftragten für den Hohenlohekreis bis hin zur Mitgliedschaft im Vorstand der Pferdefreunde Geißelhardt. Die dreifache Mutter widmet sich in ihrer Freizeit gerne dem Reiten, Tanzen, Fahrradfahren und Lesen.

Mehr zum Impfzentrum Öhringen hier.

Fotos: Dr. Susanne Bublitz / Landratsamt Hohenlohekreis / Pexels

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